LANDSHUT / AMBERG (14.11.19) – Paradigmenwechsel in der Pflege notwendig: Die niederbayerische FDP-Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer (Velden) setzt sich dafür ein, dass pflegende Angehörige wirksamer entlastet werden. Einen entsprechenden Antrag hat Bauer für die FDP Niederbayern beim 79. Landesparteitag der FDP Bayern am Wochenende im oberpfälzischen Amberg eingereicht. Darin fordert sie u. a. die Einführung eines Pflegegeldes analog zum Elterngeld.
Die Zahl der pflegebedürftigen Personen ist in Deutschland in den letzten 20 Jahren kontinuierlich angestiegen. 1999 waren 2,02 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen, 2017 bereits 3,41 Millionen. Eine besondere Herausforderung leisten laut Bauer die Angehörigen von 76 Prozent aller Pflegebedürftigen, die zu Hause versorgt werden: „Viele dieser pflegenden Angehörigen sind aber psychisch und physisch mit ihrer Kraft am Ende. Es drohen finanzielle Einbußen bis hin zur Altersarmut.“
Die niederbayerische FDP-Politikerin fordert eine Novellierung des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf aus dem Jahr 2015. Es führte das bis dahin geltende Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und Familienpflegezeitgesetz (FamilienpflegeZG) zusammen. Das Pflegezeitgesetz erlaubt Beschäftigten beim unerwarteten Eintritt einer akuten Pflegesituation bis zu zehn Tage von der Arbeit fern zu bleiben. Sofern der Arbeitgeber nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, kann ein sogenanntes Pflegeunterstützungsgeld in Anspruch genommen werden. Angehörige, die ein Familienmitglied pflegen, können so bis zu sechs Monate ihre Arbeitsleistung reduzieren. Die Regelung besteht aber nicht in Betrieben mit weniger als 15 Beschäftigten.
Beim Familienpflegezeitgesetz können Beschäftigte die wöchentliche Arbeitszeit für maximal 24 Monate auf bis zu 15 Stunden reduzieren, wenn sie einen nahen Verwandten in häuslicher Umgebung pflegen. Diese Regelung gilt nur in Betrieben mit über 25 Beschäftigen. Nach dem Gesetz können Beschäftigte ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen, um den Betriebsausfall besser abzufedern. Es wird in monatlichen Raten ausgezahlt und soll die Hälfte des durch die Arbeitszeitreduzierung fehlenden Nettogehalts ausgleichen.
Gesetz geht an Bedürfnissen vorbei
Trotz des stetigen Anstiegs von Menschen mit Pflegebedarf werden die Mittel der Bundesregierung bislang nur sehr schlecht abgerufen, wie eine Kleine Anfrage von Nicole Bauer zu Tage brachte: Seit 2015 haben demnach erst 921 Personen ein solches Darlehen beantragt, 562 Frauen und 359 Männer. Im Jahr 2018 haben 208 Menschen das Darlehen beansprucht, im laufenden Jahr erst 87. Mit insgesamt 116 Antragstellern belegt Bayern den Platz drei. Ursprünglich hat die Bundesregierung mit 9.700 Antragsstellern gerechnet. Nicole Bauer: „Das Gesetz geht offensichtlich an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, die Angehörige pflegen. Die Hilfe kommt nicht an.“
Erst Anfang November 2019 hat der Bundestag beschlossen, dass Kinder von Pflegebedürftigen, die über kein hohes Einkommen verfügen, künftig nicht mehr zur Kasse gebeten werden. Unterhaltspflichtige Kinder müssen sich demnach erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro an den Pflegekosten ihrer Eltern beteiligen. Von dieser Entlastung können bundesweit rund 55.000 Menschen profitieren.
Pflegegeld analog zum Elterngeld
„Zu wenig“, sagt Nicole Bauer. Das kürzlich vorgelegte Angehörigen-Entlastungsgesetz muss ihrer Ansicht nach angepasst werden. Pflegende Angehörige sollen durch Einführung eines Pflegegeldes analog zum bestehenden Elterngeld entlastet werden. Der Staat sollte bessere Strukturen schaffen, damit Pflegebedürftige länger in ihren Häuslichkeiten wohnen. Pflegebedürftige sollte durch öffentliche Zuschüsse auch der Zugang zu haushaltsnahen Dienstleistungen erleichtert werden. Ebenfalls zur Erleichterung sollen mehr digitale Anwendungen für Pflege angeboten werden. Der bürokratische Aufwand sollte im Gegenzug etwa bei Dokumentationspflichten erleichtert werden, steuerlich sollten pflegende Angehörige entlastet werden.