Ernährungs- und Landwirtschaftsexpertin Nicole Bauer besuchte Schulprojekt “Naturlabor Streuobstwiese” und Bauernhof Mohr
Höpfingen/ Schweinsberg. Entgegen ihres Rufs können Politiker durchaus ihr Ohr am Volk haben. Das bewies am Freitag die FDP-Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer. Auf persönliche Einladung des Höpfingers Martin Berberich war die aus Landshut stammende Politikerin, die auch dem vom Bundestagsabgeordneten Alois Gerig geleiteten Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft angehört, in die Region gekommen.
Beeindruckt zeigte sie sich vom Schulprojekt “Naturlabor Streuobstwiesen” im Höpfinger Talacker. Im Beisein von Bürgermeister Adalbert Hauck, Schulleiterin Susanne Lindlau-Hecht und Volker Eckert informierte Martin Berberich über das als ooperation zwischen Schule und Geopark laufende Projekt. “Es soll das Bewusstsein der Kinder für die Kulturlandschaft schärfen.” Susanne Lindlau-Hecht und Bürgermeister Hauck wussten dies zu bestätigen: “Die Begeisterung geht an die Kinder und dadurch an die kommenden Generationen über”, hielt das Gemeindeoberhaupt fest und lobte Berberichs Engagement dahingegend, dass der Nachwuchs heute die heimischen Wiesen, Flure und Wälder nicht mehr kenne. “Man kann jedoch nur schätzen, was man kennt”, lenkte er ein.
Auch Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer hob die Wichtigkeit hervor, die Natur stärker in den Unterricht zu integrieren. “Nur so können Kinder sie kennenlernen, spüren und begreifen- erst recht, wenn die Eltern kein Interesse zeigen oder schlicht andere Schwerpunkte setzten”, merkte sie an und attestierte der Blühwiese einen nachahmenswerten Charakter: “Hier werden Natur und Landwirtschaft sowie die Entstehung von Lebensmitteln hautnah geschildert.” Sie sprach von einer großartigen Idee”, die buchstäblich “Schule machen” möge sowie von “gelebter Nachhaltgkeit in jeder Hinsicht.”
Auch Volker Eckert, der die Standfläche des Bauwagens ausgekoffert und ihn standfest gemacht hatte, berichtete aus eigener Erfahrung: “Der Apfelsaft kommt nicht aus dem Getränkemarkt, genausowenig wie die Kuh lila ist- leider denken das aber manche Kinder.” Hier, so Nicole Bauer, setze die Blühwiese im Talacker ein wichtiges Signal: “Kinder brauchen die Natur im Sinne ienes Miteinanders von Mensch und Umwelt auch in dem Sinne, dass sie sich intensiver mit ihrer Heimat identifizieren können und man Landflucht sowie das damit einhergehende Ausbluten kleiner Ortschaften verhindert.”
Martin Berberich bekräftigte im Gegenzug, bewusst auf heimische Hölzer gesetzt und gänzlich auf Pflanzenschutzmittel verzichtet zu haben. “Eine Streuobstwiese muss nicht an einem Golfplatz erinnern, sondern Lebenraum bieten”, meinte er und ließ wissen, dass ein Aprikosenbaum gepflanzt wird. Natürlich wird das den Mädchen und Jungen der Grundschule Höpfingen näher gebracht- und zwar vor Ort im Klassenzimmer im Grünen”. Nicole Bauer übergab Schulleiterin Susanne Lindlau-Hecht offiziell den Schlüssel. “Das Projekt funktioniert nur deshalb so gut, weil alle an einem Strang ziehen”, betonte Berberich im Hinblick auf Schule, Gemeinde, Geopark mit Streuobstpädagogin Monika Frisch, Landschaftserhaltungsverband Neckar-Odenwald, Obst- und Gartenbauverein und Eigentümer. Beim Arbeitsessen mit den Stadtwerken Walldürn wurde über die Herausforderungen der derzeitigen Corona-Krise im strukturschwachen ländlichen Raum gesprochen.
Am Nachmittag setzte Nicole Bauer, die 2018 durch Judith Skudelny von dem Projekt auf der Streuobstwiese erfahren hatte, ihre Tour auf dem Aussiedlerhof der Schweinberger Familie Mohr fort. Im Fokus standen hier die aktuellen Probleme der Landwirtschaft. “Wir betreiben mit derzeit rund 400 MAstschweinen eine konventionelle Landwirtschaft mit großem Augenmerk auf das Tierwohl”, erklärte Landwirtschaftsmeister Christoph Mohr, der den 19883 aus der Ortsmitte auf den Winterberg ausgesiedelten Hof 2007 von seinen Eltern übernommen hatte. Beim anschließenden Fachgespräch erinnerten Vater und Sohn an ein grundsätzlich schönes- wenngleich arbeitsarmes-Berufsfeld, dessen Ausübung mehr und mehr durch behördliche Hürden erschwert werde. “Man muss sich mit Dingen befassen, die im Grunde genommen nicht zur Landwirtschaft gehören und allmählich überhand nehmen”, betonte Christoph Mohr. Ein Beispiel dafür sei die Gülleausbringung, die zwar vom Gesetzgeber bis Ende August vorgeschrieben sei, jedoch ohne Weiteres noch jetzt durchzuführen wäre. Hier sprach Bundestagsagbeordnete Bauer von “ideologischen Gründen”, die statt Sachverstand und Kompetenz maßgebend seien, sowie “Ministerien, die teilweise nicht früh genug tätig wurden”. Auch die Düngeverordnung vom März 2019 sei “nicht praxisgerecht”, zumal nicht allein die Landwirtschaft für erhöhte Nitratwerte verantwortlich sei und man differenziert Maß nehmen müsse. “Böden und Niederschläge sind in Norddeutschland anders als hier im Süden, was deutschlandweite Vorgaben nicht als sinnig erscheinen lässt”, hob Bauer hervor und plädierte für eine “europäische Lösung”, die Deutschland im Zuge seiner EU-Ratspräsidentschaft umzusetzen habe.
Weiter sei Landwirtschaft nicht planbar und müsse als Wirtschaftskraft, nicht aber als reine Maßnahme zur Landschaftspflege in den Köpfen verankert werden. “Der Landwirt benötigt Freiheiten, wie er auch Vorgaben benötigt- und Landwirtschaft ist kein Hobby, für das viele sie halten”, stellte sie klar. Christoph Mohr ließ wissen, dass viele Landwirte offen über das Aufhören nachdenken: “Auflagen wachsen und Erträge sinken.” Martin Berberich schloss sich dem an und plädierte für ein regionales Denken auch im Bezug auf Lebensmittel.
(Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung vom 30.9.2020)