Hanna Seidel kann sich noch gut erinnern, wie es sich anfühlte, als der fremde Mann hinter ihr auf einem Gothic-Festival plötzlich die Hand mit der Kamera unter den Rock hielt und zwischen ihre Beine fotografierte. „Ich war wütend und habe ihn bestürmt, die Fotos zu löschen. Doch er hat mich nur als Flittchen beschimpft“, erzählt die Regiestudentin im Gespräch mit WELT. […]
Hanna Seidel wurde Opfer von „upskirting“, einer Form des Spannertums, das mit der flächendeckenden Verbreitung von Kamerahandys rasant zugenommen hat. Wie zufällig halten die Täter ihre Handys in U-Bahnen, Supermärkten oder anderen Menschenansammlungen Frauen unter den Rock in der Hoffnung, intime Fotos zu erhalten. Das Pendent dazu: „Downblousing“, das heimliche Fotografieren in den Ausschnitt.
Strafbar ist das derzeit nur, wenn die heimlichen Aufnahmen den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ verletzen – also zum Beispiel in der Wohnung des Opfers gemacht werden. Im öffentlichen Raum greift dieser Straftatbestand nicht. Auch eine Verurteilung wegen Beleidigung oder sexueller Belästigung ist derzeit noch nicht möglich – für Letzteres fehlt es an der körperlichen Berührung.
Eine eklatante Regelungslücke im Gesetz, findet Hanna Seidel. Gemeinsam mit der Fernsehredakteurin Ida Marie Sassenberg startete die 28-Jährige deshalb im Frühjahr die Petition „Verbietet #Upskirting in Deutschland“. Vorbild sind England und Wales, wo eine ähnliche Kampagne bereits erfolgreich war. Nach dem im April verabschiedeten „Voyeurismus Offences Act “ drohen Upskirting-Tätern dort bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe und die Registrierung als Sexualstraftäter. Das wollen Seidel und Sassenberg auch in Deutschland erreichen.
Mehr als 57.000 Unterschriften haben die beiden jungen Frauen auf der Plattform Change.org bereits gesammelt. Und auch in der Politik bewegt sich etwas. Die Justizminister von Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen planen eine Bundesratsinitiative für das Verbot von Upskirting. Schleswig-Holstein hat bereits Unterstützung zugesagt.
Und die FDP-Fraktion bringt an diesem Donnerstag auch im Bundestag einen Antrag ein, in dem das Verbot von Upskirting gefordert wird. „Wer hierzulande Frauen unter den Rock fotografiert, tut nichts Verbotenes. Ich finde das völlig inakzeptabel“, sagt die frauenpolitische Sprecherin Nicole Bauer, die den Antrag zusammen mit dem Rechtspolitiker Stefan Thomae stellt. „Es muss Frauen auch in Zeiten von Smartphones möglich sein, Röcke und Kleider zu tragen – und zwar ohne dabei Gefahr zu laufen, dass jemand heimlich darunter fotografiert.“
Großbritannien habe es vorgemacht und saftige Strafen gegen Täter verhängt, die sich nicht an das Verbot halten, sagt Bauer. „Das schreckt ab und gibt betroffenen Frauen die Möglichkeit, sich erfolgreich zu wehren. Die Bundesregierung muss hier auch endlich aktiv werden.“ Konkret fordern die Liberalen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das „unbefugte gezielte Anfertigen von Film- oder Bildaufnahmen intimer oder sexueller Bereiche einer Person unter Strafe stellt“ – damit also auch das Upskirting.
Flankiert wird der Antrag durch die geplante Bundesratsinitiative zum Verbot des Upskirtings. Die Federführung dafür hat Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) übernommen. Die Justizminister erhoffen sich dadurch eine bessere Zugriffsmöglichkeit der Polizei. Ein eigener Straftatbestand würde es den Beamten erleichtern, gegen Täter vorzugehen, Handys zu beschlagnahmen und Platzverweise zu erteilen. „Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass heimliches Fotografieren unter den Rock strafbar ist – egal wo es passiert“, sagte Eisenreich. […]
Hanna Seidel jedenfalls ist froh, dass sich jetzt politisch etwas bewegt. Sie ist überzeugt, dass das Thema viele Frauen betrifft – auch wenn viele gar nicht ahnen, dass sie bereits Opfer geworden sind, weil die Aufnahmen heimlich aufgenommen wurden. Was die Täter dabei bewegt, kann sie nur ahnen. „Ein Teil des Reizes ist sicher, dass die Tat unbemerkt bleibt“, sagt sie. Vor allem aber gehe es hier um das Gefühl von Macht. „Ich bekomme Einblick in etwas, das mir nicht zusteht – aber ich nehme es mir einfach.“
(Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschland/article195960881/Upskirting-Werden-die-Spannerfotos-bald-verboten.html)