Es ist ein Gesetz, das schon im Vorfeld so polarisiert hat wie kaum anderes in den vergangenen Jahrzehnten: Am Mittwoch wurde im Bundestag über das geänderte Infektionsschutzgesetz abgestimmt, am Donnerstag passierte das neue Regelwerk den Bundesrat. Unter den 342 Ja-Stimmen war der lokale CSU-Abgeordnete Florian Oßner. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer stimmte wie ihre gesamte übrige Fraktion mit Nein.
Das geänderte Infektionsschutzgesetz tritt als Grundlage des staatlichen Agierens gegen die Corona-Pandemie die Nachfolge der bisherigen auf Länderebene getroffenen Regelungen an. Diese hatte Kanzlerin Merkel in einem Fernseh-Interview nach dem Debakel um die schließlich wieder zurückgenommene Idee der “Osterruhe” für gescheitert erklärt und eine bundesweite Regelung der Einschränkungen für Bürger und Wirtschaft ins Gespräch gebracht. Heftig umstritten war beim jetzt verabschiedeten Gesetzesentwurf von Anfang an die Idee einer bundesweiten Ausgangssperre als Lockdown-Element. Aber auch die Begründung der diversen Eingriffe in das tägliche Leben der Bürger vor allem durch die Inzidenz-Werte stieß teils auf Kritik. Letztlich wurde das Gesetzesvorhaben mit der Mehrheit der Großen Koalition bei gleichzeitiger fast durchgehender Enthaltung der Grünen durchgebracht – ihnen ging das Gesetz nicht weit genug. Allerdings stimmten bei der Union ebenfalls 21 Fraktionsmitglieder mit Nein.
Die Lage in den Kliniken als Begründung
Florian Oßner sieht den Schwarzen Peter in der Sache nicht zuletzt bei den Ländern: “Sicherlich war es eine schwierige Güterabwägung zwischen Lebensschutz und Freiheitsrechten. Zudem hätte ich mir gewünscht, dieses Gesetz überhaupt nicht zu brauchen, sofern die Länder ihre vorherigen Beschlüsse einfach eingehalten hätten.” Gleichzeitig verweist der Veldener Abgeordnete darauf, dass auch von Unionsseite am ursprünglichen Gesetzentwurf noch Anpassungsarbeit geleistet worden sei: “Wir als CDU/CSU im Bundestag in Verantwortung für unser Land haben abgesehen davon viele Verbesserungen, beispielsweise bei den Schulen, für den Einzelhandel und bei der Ausgangssperre durchsetzen können, weshalb ich am Ende zugestimmt habe.”
Bei der Begründung für die Regelungen auf Bundesebene verweist der CSU-Politiker auf die Lage in den Krankenhäusern. Die Hilferufe der Intensivmediziner seien unüberhörbar gewesen. “Wir müssen deshalb alles tun, um die dritte Welle zu brechen. Hier zählt jeder Tag”, betont Oßner. Das Virus verzeihe keine Halbherzigkeiten. Umso wichtiger sei es, dass Bund und Länder nun gemeinsam entschlossen handeln würden. Es geht aus Sicht von Florian Oßner nicht darum, einheitlich einen Lockdown in ganz Deutschland zu verhängen. “Ein Beispiel: Liegt die Inzidenz im Landkreis Landshut bei 80, in Berlin aber bei 110, dann muss letzteres Einschränkungen verhängen, Vilsbiburg darf lockern. Ausgangsbeschränkungen ab 22 Uhr richten sich nicht an Sportler oder Spaziergänger mit Hund, vielmehr sollen sie verhindern, dass private nächtliche Treffen abgehalten werden.”
Viele Wissenschaftler würden dies aus der Erfahrung in anderen Länder heraus für eine wirksame Maßnahme halten. “Leider haben alle Oppositionsparteien nur kritisiert, jedoch selbst keine Lösungen angeboten. Das ist zu wenig und wird der brisanten Lage nicht gerecht”, kontert Oßner die entsprechenden Vorwürfe von außerhalb der Großen Koalition. “Mit verstärkten Impfungen und den neuen Testmöglichkeiten haben wir eine gute Perspektive, in das geordnete Leben zurückzukehren”, zeigt sich der CSU-Bundestagsabgeordnete abschließend zuversichtlich.
Verfassungs-Bedenken seitens der FDP
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer aus Velden spricht sich in einer Erklärung klar gegen die Gesetzesänderung aus: “Wir Freie Demokraten haben dieser Änderung nicht zugestimmt, da sie verfassungsrechtlich höchst fragwürdig und epidemiologisch nicht nachweislich wirksam ist.”
Nicole Bauer sowie der FDP-Kreisverband Landshut-Land fordern, wie auch die liberale Fraktion im Bundestag, neben dem Inzidenzwert auch weitere Faktoren zu betrachten. Berücksichtigt werden sollen zusätzlich die tatsächliche Auslastung des Gesundheitswesens, die Inzidenz der über 60-Jährigen, ein Abgleich der Zahl der Neuinfektionen mit den positiven Testbefunden und der Testhäufigkeit sowie die Häufigkeit von Cluster-Ausbrüchen.
“Die FDP hat bereits vor Wochen einen Stufenplan mit bundesweiten Wenn-Dann-Regeln für eine Öffnungsstrategie erarbeitet und der Bundesregierung vorgelegt. Dieser Vorschlag bezieht allerdings die konkrete Lage vor Ort mit ein, anstatt auf pauschalen bundesweiten Lockdowns zu beharren”, wird von der FDP-Abgeordneten aus Velden in ihrer Mitteilung betont.
Gleichzeitig wird am generellen Vorgehen der Großen Koalition gegen die Krise Kritik geübt: “Nach über einem Jahr Pandemie setzt die Bundesregierung weiterhin auf einfallslose Schließungen. Dabei wären genau jetzt für viele Branchen klare Öffnungsperspektiven überlebenswichtig”, so die Bundestagsabgeordnete. Ähnlich sehe es die Vorstandschaft der FDP Landshut-Land, weshalb man auch in der Sitzung im April intensiv darüber diskutiert habe, wie Bauer berichtet.
“Die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes der Bundesregierung beinhalten außerdem bundesweite nächtliche Ausgangssperren. Diese Maßnahme erachtet die FDP als in hohem Maße unverhältnismäßig und zudem wirkungslos zur Bekämpfung der Pandemie”, fügt die Abgeordnete kritisch an. Die FDP kündigte an, sich hierzu die Option einer Klage offenzuhalten. – Erste Eilanträge gegen das Infektionsschutzgesetz wurden beim Bundesverfassungsgericht bereits am Donnerstag eingereicht.
“Nach mittlerweile 14 Monaten Pandemiegeschehen ist eine Fortsetzung der Politik des Stillstands nicht mehr tragbar. Wir müssen endlich die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen nutzen und innovative Lösungen anbieten”, fordert Bauer. Dazu zähle die Umsetzung testbarer, hygienischer Öffnungsstrategien, die Schaffung von mehr Impfmöglichkeiten sowie Raum für Modellprojekte.
(Quelle: idowa online, vom 23.04.2021)