Landwirte kritisieren Bundespolitik hart – Abgeordnete geben ihnen teilweise recht. So geschehen bei einer Podiumsdiskussion in Baiern.
Netterndorf. Wie zerschnitten ist das Tischtuch zwischen den Parteien und der Landwirtschaft im Landkreis Ebersberg? Eine Antwort auf diese Frage gab eine Talkrunde, deren Publikum den Saal im Gasthaus Gröbmeyer in Netterndorf (Gemeinde Baiern) füllte. Das Thema lautete vergleichsweise harmlos „Politik für dich und mich“. Die Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz (CSU), Nicole Bauer (FDP) aber vor allem Karl Bär (Grüne) mussten sich einiges anhören, unter anderem auch von den beiden Landwirten Benno Baumann (49) aus Kleinrohrsdorf und Christian Maier (46) aus Weiterskirchen, die mit auf dem Podium saßen.
Dass alle zu Wort kamen, dafür sorgte BBV-Ortsobmann und Moderator Georg Weigl. Bär konnte die umstrittenen Positionen seiner Partei auf Einladung des Bauernverbandes ungehindert darlegen, anders als bei der Demonstration der Landwirte am Odeonsplatz in München, wo er für seine Ausführungen ein gellendes Pfeifkonzert geerntet hatte. In Netterndorf ging es diszipliniert zu, wenngleich es den Wortmeldungen nicht an Deutlichkeit fehlte.
Karl Bär (Grüne), Landwirt Benno Baumann, Nicole Bauer (FDP), Landwirt Christian Maier, Andreas Lenz (CSU) und Moderator und BBV-Ortsobmann Georg Weigl (v. l.) bei der Podiumsdiskussion in Netterndorf. (Foto: Seeholzer)
So sagte Anton Hoiß aus Netterndorf, der für die Brauerei Maxlrain tätig ist, an Bär gewandt zum Heizungsgesetz: „Die Leute haben Angst vor eurer Politik und tun deshalb Geld auf die Seite.“ Das sei schlecht für die Konjunktur. Dafür gab es zwar großen Applaus, aber dieser Ansicht sind nicht alle, auch der CSU-Kreisrat Martin Lechner aus Straußdorf nicht. Er lobte beim Heizungsgesetz die Förderpraxis, bei der die Zuschüsse innerhalb weniger Wochen auf dem Konto landen.
Günter Baumgartner aus Grafing kritisierte die gesellschaftliche Haltung der landwirtschaftlichen Produktion gegenüber, für die auch die Grünen verantwortlich seien: „Wir haben noch nie so eine Propaganda gegen jedes Schnitzel und gegen jeden Leberkas gehabt wie heute“, schimpfte er. Johann Spitzl aus Straußdorf forderte angesichts der wachsenden Bürokratie: „Wir brauchen einen Sachkundenachweis für jeden Politiker.“ Auch die beiden Podiumsvertreter Maier und Baumann schlugen in diese Kerbe: „Mittlerweile bin ich fast zwei Tage in der Woche im Büro, das macht die Betriebe krank“, so Maier.
Die Agrardieselrückerstattung war an diesem Abend jedoch nur einer der zahlreichen Steine des Anstoßes. Unter anderem fordert der Bauernverband die „vollständige Übernahme der EU-Zulassung für den Einsatz von Glyphosat in Deutschland bis zum Jahr 2033“. Damit ernten die Bauern in der Öffentlichkeit nicht nur Zustimmung, obwohl Weigl berichtete, dass dieses Mittel nur sehr sparsam eingesetzt werde.
„Die Stimmung im Land ist überall schlecht“, räumte Andreas Lenz (CSU) ein. „Die Handwerker sind den Bauern dankbar, dass die ihren Unmut mal zeigen.“ „Die Franzosen setzen Heizöl ein“ nannte die FDP-Abgeordnete Nicole Bauer ein Beispiel für die „Wettbewerbsverzerrung“, der die deutschen Bauern ausgesetzt seien. Sie glaubt als Wirtschaftsingenieurin an die Zukunft der Landwirtschaft vor allem durch den „technischen Wandel“, den auch die Politik begleiten müsse mit guten Rahmenbedingungen. Da liege sie nicht immer auf Linie mit ihrer eigenen Partei. Aber: „In der Politik braucht es Menschen mit Haltung.“
„Ich würde den Agrardiesel gerne durch Pflanzenöl ersetzen“, sagte Bär. „Das ist eine sinnvolle Sache.“ Damit wäre er mit dem Bauernverband einer Meinung, der sich bei regional erzeugten, nicht fossilen Kraftstoffen für eine Befreiung von der Energiesteuer einsetzt. Zum Wegfall der Agrardieselrückerstattung räumte Bär ein: „Das war eine Überraschungsentscheidung. Das hätte es so nicht geben dürfen.“
Landwirt Baumann kritisierte angesichts der Rekordsteuereinnahmen: „Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabeproblem.“ „Wir müssen weg von einer Landwirtschaftspolitik, die nur im Vier-Jahres-Rhythmus denkt“, sagte Abgeordnete Bauer. Zum Thema Bio-Produkte meinte sie: „Ich lehne Quotierungen ab.“ Baumann berichtete, dass die „konventionellen Bauern die letzten Jahre viel zu wenig bekommen haben“ für ihre Produkte, zum Beispiel bei der Milchproduktion. Lenz dazu: „Wir brauchen von der Politik ein klares Bekenntnis zur Tierhaltung. Es bringt nichts, die Produktion aus Klimaschutzgründen ins Ausland zu verlegen.“ Der Tierwohlcent sei eine „Ablenkung vom Agrardiesel.“ „Man will gezielt und mit Gewalt die Ställe umbauen, das gibt der Markt nicht her“, kritisierte Landwirt Maier den aktuellen Entwurf des Tierschutzgesetzes. Der Verbraucher fordere zwar mehr Tierwohl, kaufe beim Discounter dann aber doch das billigst produzierte Fleisch.