Wirksamkeit des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
Die Zahl der pflegebedürftigen Personen stieg in Deutschland in den letzten 20 Jahren kontinuierlich an. Während es 1999 noch 2,02 Millionen Menschen waren, waren es 2017 bereits 3,41 Millionen (www.destatis.de/DE/Presse/ Pressemitteilungen/2018/12/PD18_501_224.html). Drei Viertel aller Pflegebedürftigen werden von Angehörigen versorgt. Das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ist am 1. Januar 2015 in Kraft getreten und vereinte die Regelungen im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und im Familienpflegezeitgesetz (FamiliepflegeZG). Kernpunkte des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf sehen vor, pflegende Angehörige zu entlasten. Beim Pflegezeitgesetz können bei unerwartetem Eintritt einer akuten Pflegesituation Beschäftigte bis zu zehn Tage von der Arbeit fern bleiben. Sofern der Arbeitgeber nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, kann ein sogenanntes Pflegeunterstützungsgeld in Anspruch genommen werden. Angehörige, die ihr Familienmitglied in häuslicher Umgebung pflegen, können bis zu 6 Monate (vollständig oder auch nur stundenweise) ihre Arbeitsleistung reduzieren. Des Weiteren haben Angehörige ein Recht auf ein zinsloses Darlehen des Bundes. Die Regelungen bestehen allerdings nicht in Betrieben mit weniger als 15 Beschäftigten. Beim Familienpflegezeitgesetz können Beschäftigte die wöchentliche Arbeitszeit für maximal 24 Monate auf bis zu 15 Stunden reduzieren, sofern sie einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen. Die Regelung gilt nicht gegenüber Arbeitgebern mit weniger als 25 Beschäftigten. Auszubildende werden dabei nicht mit eingeschlossen. Bei einer Kombination der verschiedenen Freistellungsansprüche beider Gesetze beträgt die maximale Zeit 24 Monate. Bei der Inanspruchnahme der Familienpflegezeit und Pflegezeit können die Beschäftigten ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen, um den Betriebsausfall besser abfedern zu können. Es wird in monatlichen Raten ausgezahlt und deckt grundsätzlich die Hälfte des durch die Arbeitszeitreduzierung fehlenden Nettogehalts ab. Auf entsprechenden Antrag kann auch ein niedrigeres Darlehen –dies muss aber mindestens 50 Euro monatlich betragen –genommen werden. Trotz eines stetigen Anstiegs von Menschen mit Pflegebedarf hat die Inanspruchnahme der Leistungen des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf nicht in der von der Bundesregierung in den letzten Jahren abgebildeten Haushaltsplanung im Titel 862 01 zugenommen. Die eingestellten Mittel scheinen äußerst begrenzt und insgesamt sogar rückläufig (vgl. Bun- deshaushaltsplan 2018 zum Einzelplan 17: 2018: Soll: 2 500 000 Euro, Ist: 420 000 Euro; 2017: Soll 6 350 000 Euro, Ist: 756 000 Euro) abgerufen worden zu sein und dies, obwohl die Bundesregierung die Mittel gegenüber dem ursprünglich im Gesetz genannten Erfüllungsaufwand jährlich bereits deutlich niedriger angesetzt hat (2017: 8,1 Mio. Euro vs. 6,35 Mio. Euro; 2018: 9,4 Mio. Euro vs. 2,5 Mio. Euro; vgl. dazu Bundestagsdrucksache 18/3124, S. 29).
Kleine Anfrage (Drucksache 19/11213, vom 27.06.2019)
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf der Grundlage von welchen konkreten Kennzahlen und Kriterien überprüft und bewertet die Bundesregierung die Wirksamkeit des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, wenn ihr zur Inanspruchnahme der Freistellungen nach dem Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz keine Zahlen vorliegen (siehe Antwort zu den Fragen 2 und 4 auf Bundestagsdrucksache 18/9111)?
2.Welche belastbaren Ergebnisse ergab die stichprobenartige Befragung von
50 000 Personen, die von der TNS Emnid GmbH & Co. KG im Auftrag des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
hinsichtlich der Inanspruchnahme der Freistellungen nach dem Pflegezeitgesetz sowie nach dem Familienpflegezeitgesetz bis Ende 2016 durchgeführt wurde, und welche Schlüsse hat die Bundesregierung aus diesen Ergebnissen gezogen?
3. In welcher Höhe sind die im Bundeshaushalt für das Jahr 2018 vorgesehenen
Mittel für die zinslosen Darlehen zur Pflege- sowie zur Familienpflegezeit
bis Ende 2018 bewilligt worden und abgeflossen (bitte den aktuellen Stand
mitteilen und nach Pflege- und Familienpflegezeit aufschlüsseln)?
4. Wie viele Personen haben seit Inkrafttreten des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ein zinsloses Darlehen aufgenommen (bitte nach Pflegezeit und Familienpflegezeit, Jahren, Geschlecht, Alter und Bundesländern aufschlüsseln)?
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den Betriebsgrößen, in denen die Antragsteller beschäftigt sind?
5. Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf Pflegeunterstützungsgeld nach § 44a des Elften Buches Sozialgesetzbuch
(SGB XI) beantragt (bitte nach Jahren, Geschlecht, Alter und Bundesländern aufschlüsseln)?
a) Für wie viele Tage wurde das Pflegeunterstützungsgeld jeweils und durchschnittlich beantragt (bitte nach Jahren, Geschlecht, Alter und Bundesländern aufschlüsseln)?
b) Welche Höhe hat das gezahlte Pflegeunterstützungsgeld im Durchschnitt (bitte nach Jahren, Geschlecht, Alter und Bundesländern aufschlüsseln)?
c) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den Betriebsgrößen, in denen die Antragsteller beschäftigt sind?
6. Wie erklärt sich die Bundesregierung den geringen Mittelabruf der letzten Jahre aus dem Haushaltstitel 862 01 „Darlehen nach dem Familienpflegezeitgesetz und Pflegezeitgesetz“ (bitte erläutern)?
7. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um den Abruf der Mittel aus dem Haushaltstitel 862 01 „Darlehen nach dem Familienpflegezeitgesetz und Pflegezeitgesetz“ zu erhöhen, und wenn sie keine Maßnahmen ergreift, wie begründet sie dies?
8. Inwiefern berücksichtigt die Bundesregierung bei der Weiterentwicklung des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf die Umfrageergebnisse des Befragungsinstituts Kantar EMNID, dass pflegende Angehörige noch Informationsbedarf zum besagten Gesetz haben (Anlage auf Bundestagsdrucksache 19/3400)?
9. Warum sollen laut Bundesregierung „insbesondere Arbeitgeber“ zu den Regelungen zum Familienpflegezeitgesetz informiert werden (Anlage zum Entwurf des Bundeshaushaltsplans 2018, Einzelplan 17, S.12), und mit welchen
Maßnahmen wird die Bundesregierung dies umsetzen?
10. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die geringe Inanspruchnahme des Gesetzes mit mangelnder Information der Arbeitgeber zu tun hat?
a) Wenn ja, warum (bitte begründen)?
b)Wenn nein, welche anderen Gründe macht die Bundesregierung für die geringe Inanspruchnahme verantwortlich?
11. Falls die Bundesregierung die geringe Inanspruchnahme nicht auf eine mangelnde Information der Arbeitgeber zurückführt, warum wurden diese dann als besondere Zielgruppe für die oben genannte Informationskampagne gewählt?
12. Wie hat die Bundesregierung oben genanntes Informationsvorhaben gegen über den Arbeitgebern umgesetzt?
Wie viele Arbeitgeber (mit mehr als 15 Beschäftigten) wurden dabei erreicht (bitte in absoluten Zahlen und Prozentzahlen sowie nach Bundesländern und Betriebsgröße aufschlüsseln)?
13. Wie bezieht die Bundesregierung pflegende Angehörige konkret als Zielgruppe und Informationsempfänger in die Öffentlichkeitsarbeit zum Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf mit ein?
14. Welche Erkenntnisse und konkreten Handlungsempfehlungen hält nach Kenntnis der Bundesregierung der Bericht des unabhängigen Beirates für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf (nach § 14 des Familienpflegezeitgesetzes), der erstmalig zum 1. Juni 2019 vorgelegt werden soll, bereit?
15. Welche Themenstellungen hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend dem Beirat zur Beratung vorgegeben, und wie wurden diese festgelegt?
Hier sind die Originalschriftstücke zum Download
Anfrage-1911213-Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
Antwort-1911213-Vereinabarkeit von Familie, Pflege und Beruf