In Deutschland sind weibliche Vorstände noch selten. Doch eine gesetzliche Neuregelung hat viele Gegner.
Berlin/Frankfurt. Christine Lambrecht und Franziska Giffey, SPD-Bundesministerinnen für Justiz und für Familie, wollen einen Gesetzentwurf für eine Frauenquote in Vorständen vorlegen. Nach Kritik aus Reihen des Koalitionspartners äußern sich nun Wirtschaftsverbände mit deutlichen Worten. Frauen seien für die Posten “mindestens genauso geeignet” wie Männer, sagt Reinhold von Eben-Worlée, Präsident der Familienunternehmer. “Diesen Versuch des Staates aber, den Unternehmen per Gesetz in die Personalpolitik reinzureden, lehnen wir strikt ab.
Die Unternehmen müssen die Freiheit haben,ungezwungen über ihre Führungskräfte zu entscheiden.”Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände nennt den Vorstoß “verfassungsrechtlich fragwürdig”. Auch die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sieht eine gesetzliche Frauenquote für Vorstandsgremien skeptisch. Zwar seien Frauen dort noch immer unterrepräsentiert, aber es tue sich auch ohne gesetzlichenZwang etwas: “Die Old-Boy-Networks”verlören an Bedeutung, sagt Sprecher Jürgen Kurz. Der Aufsichtsrat solle bei jeder Nachbesetzung von Vorständen das Recht haben, die kompetenteste Person für den Posten auszuwählen, völlig unabhängig vom Geschlecht der Person.
“Eine Quote von oben bringt weder den Frauen noch den Unternehmen nachhaltig etwas”, warnt die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Bauer, “was wir brauchen, ist ein Kulturwandel, der Frauen auf sämtlichen Führungsebenen fördert und repräsentiert.” Die richtigen Rahmenbedingungen wie eine familienfreundliche Vollzeit oder auch Führen in Teilzeit seien “entscheidende Faktoren”, auch für die Väter. Sie kritisiert allerdings die Ambitionslosigkeit der Unternehmen, wenn es um die anvisierte Frauenquote im Vorstand geht: “Die Zielgröße null ist kein Ziel.”
Tatsächlich hinkt Deutschland im internationalen Vergleich hinterher. Zwar ist der Frauenanteil in den Vorstandsgremien der dreißig Dax-Unternehmen seit 2005 von einem Prozent auf heute rund 14 Prozent gestiegen, doch in vielen anderen Industrieländern liegt er deutlich darüber. In den Vereinigten Staaten beträgt der Frauenanteil in den Vorständen der jeweils 30 größten Unternehmen laut einer Auszählung der Allbright Stiftung, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt,fast 28 Prozent, in Schweden fast 23 und in Großbritannien mehr als 22 Prozent. Mit Jennifer Morgan hat vor wenigen Wochen immerhin erstmals eine Frau den obersten Chefposten des Dax-Konzerns SAP erklommen – als Doppelspitze mit einem Mann.
Im Ausland aber werden namhafte Konzerne schon länger von Frauen geführt. Den SAP-Konkurrenten Oracle leitet Safra Catz, die Automobil-Ikone General Motors Mary Barra und den Rüstungskonzern Lockheed Martin Marillyn Hewson. In Großbritannien führen Frauen den Pharmakonzern Glaxo-Smith-Kline (Emma Walmsley), künftig auch die Royal Bank of Scotland(Alison Rose); in Frankreich den Ener-gieversorger Engie (Isabelle Kocher)und demnächst auch den Autokonzern Renault (Clotilde Delbos). In Deutschland hinken insbesondere die Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe hinterher.
Während die Dax-Unternehmen noch halbwegs passabel abschneiden, liegt der Frauenanteil in den Bör-sensegmenten darunter auf niedrigem Niveau. Im M-Dax sind weniger als 9 Prozent der Vorstände weiblich, im S-Dax weniger als 5 Prozent. Neben überholten Rollenbildern und alten Männerseilschaften dürfte auch eine Rolle spielen, dass die deutsche Wirtschaft mit ihren vielen Maschinenbauern stark von Ingenieuren geprägt wird. Zwar studieren zunehmend mehr Frauen auch Maschinenbau, sie sind mit einem Anteil von unter einem Viertel aber noch unterrepräsentiert. Typisch für deutsche Managerkarrieren sind zudem Hauskarrieren: Die überwiegende Zahl der deutschen Spitzenmanager hat vor ihrer Berufung in den Vorstand – im Durchschnitt mit 48 Jahren – viele Jahre ohne Unterbrechung im Unternehmen gearbeitet. Frauen haben hier oft durchMutterschaft und längere Teilzeit Nachteile. Auch das deutsche Steuerrecht mit seinem Ehegattensplitting wird als Grund angeführt, weil es Frauen ins klassische Rollenbild dränge.
(Quelle: FAZ, 27.11.2019)